Entsetzen in Tschechien: Heydrich-Sohn will Ex-Familiensitz renovieren - WELT (2024)

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Es gibt ein paar Namen, die bei jedem Tschechen eine Gänsehaut verursachen. Der Name Heydrich steht da zweifellos an erster Stelle. Reinhard Heydrich, der „Endlöser der Judenfrage“, war 1942 eine Zeit lang Hitlers Statthalter im sogenannten Protektorat Böhmen und Mähren, bis aus England eingeflogene tschechoslowakische Fallschirmjäger in Prag ein Attentat auf ihn verübten, an dessen Folgen er starb.

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Was folgte, war die „Heydrichiade“, die Rache Hitlers, in dessen Folge 1357 Tschechen standrechtlich erschossen wurden. Das Dorf Lidice wurde mit seinen Bewohnern ausgelöscht. Mit den Tschechen hatte Heydrich nichts Gutes vor. Er wollte „gar nicht erst versuchen, das Tschechengesindel deutsch zu machen“. Notfalls müsse man es „endgültig an die Wand stellen“.

Über die Familie Heydrichs wusste man in Tschechien nicht sehr viel. Bis am Freitag plötzlich alle Zeitungen voll waren mit Berichten über einen der Söhne des „stellvertretenden Reichsprotektors“, Heider Heydrich.

Heider Heydrichs Besuch polarisiert

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Mit einschlägigen Fotos: etwa dem, auf dem der kleine Heider Heydrich an der Seite Heinrich Himmlers, in einem schwarzen Anzug mit kurzen Hosen und weißen Kniestrümpfen, zu Ehren des toten Vaters den rechten Arm zum Hitlergruß nach oben streckt. Man las, dass die Heydrich-Witwe in Deutschland eine Rente durchsetzen konnte, weil ihr Mann schließlich im Krieg „gefallen“ sei.

Der Grund für die bizarre Aufregung der Medien: Heider Heydrich hatte drei Tage lang den Ort seiner Kindheit besucht, das frühere Jungfern-Breschan, unweit von Prag. Er wollte das Grab seines Bruders besuchen, der hier bei einem Unfall ums Leben gekommen war.

Die damalige Gärtnerin des Schlosses, Helena Vovsova, führte ihn an die Stelle des Grabes auf dem Areal des dem Verfall preisgegebenen Schlosses, in dem die Familie auch nach dem Tod Reinhard Heydrichs bis 1945 gelebt hatte. Frau Vovsova freute sich, den „Lausbuben Heider“ nach so vielen Jahren wiederzusehen. Auch Bürgermeister Libor Holik hatte sich eingefunden, um mit dem heute 76-jährigen Heydrich-Sohn zu sprechen.

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Den Bürgermeister treibt die Sorge um den Zustand des Schlosses um. Nach dem Gespräch mit Heider Heydrich erzählte er einer Reporterin des Tschechischen Rundfunks, der Sohn Heydrichs habe angeboten, Geld aufzutreiben, um das Schloss womöglich retten zu helfen. Die EU stelle solche Mittel bereit. Man könnte dort am Ende sogar eine Art Museum des Widerstands einrichten. Eine bestechende Idee sei das.

Die Mehrheit der Tschechen ist entsetzt

Sofort stiegen alle anderen Medien auf diese Geschichte ein. Und Tausende Menschen äußerten sich im Internet zu dem Vorhaben. Die Reaktionen waren sehr gespalten. Die klare Mehrheit äußerte sich schlichtweg entsetzt. Andere, auch der Kommentar einer seriösen Zeitung, meinten, der Sohn Heider könne nicht für den Vater Reinhard Heydrich in Sippenhaft genommen werden. Immerhin sei Heider bei Kriegsende gerade mal zehn Jahre alt gewesen und habe nichts von den Verbrechen seines Vaters gewusst.

Das sieht auch Bürgermeister Holik so: „Man muss doch bitte unterscheiden zwischen Vater und Sohn.“ Der derzeitige Besitzer der Immobilie, eine Technikfirma, würde sich ebenfalls einem Engagement des Heydrich-Sohns nicht verweigern. Und selbst der Leiter der Lidice-Gedenkstätte, Milous Cervencl, sagt: „Ich hätte damit überhaupt kein Problem. Ich würde das eher als eine Form der Wiedergutmachung, der Entschuldigung für die Verbrechen sehen, die sein Vater zu verantworten hat.“

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Heider Heydrich selbst fühlt sich unwohl, dass er in Tschechien solch eine Debatte ausgelöst hat. Gegenüber „Welt Online“ sagte er, Bürgermeister Holik habe deutlich übertrieben: „Natürlich hat mich der Zustand des Schlosses genauso bekümmert wie ihn.

Aber ich kenne weder die jetzigen Eigentümer, noch gibt es einen Nutzungsplan. Wenn man an mich herantreten würde, könnte ich mir jedoch ein Engagement vorstellen – wenn man das in Tschechien tatsächlich will.“ Er sagt das mit großer Vorsicht und Zurückhaltung.

Heider Heydrich weiß um die Emotionen

Heider Heydrich weiß natürlich, welche Emotionen seine Herkunft auslöst. Er kennt derartiges auch aus Deutschland. Sein Angebot etwa, zur Rekonstruktion des Invalidenfriedhofs in Berlin beizutragen, wurde unter Hinweis auf seinen Namen abgelehnt. Andere wiederum wissen sein ausgeprägtes soziales Eintreten zu würdigen.

Nachdem er als Geschäftsführer der Dornier-Werke in Oberpfaffenhofen zurückgetreten war, als Daimler dort Einzug gehalten hatte, kümmerte er sich zunächst um die Betriebsrentner von Dornier. Jetzt macht er das seit Jahren deutschlandweit an der Spitze eines eingetragenen Vereins.

Der unweit von München lebende Rentner trat einst auch aus der CSU aus, weil die seiner Meinung nach die sozial Schwachen nicht ausreichend vertrete. „Wenn ich etwas aus der Geschichte gelernt habe, dann das, dass man sich für Menschen einsetzen muss“, sagt er. So sähe er auch eine eventuelle Hilfe für das Schloss Jungfern-Breschan.

Ob es dazu kommen wird, ist aber sehr ungewiss. Einer der Vorstandsleute des tschechischen Verbands der Freiheitskämpfer, Pavel Vransky, spricht sicher sehr vielen seiner Landsleute aus dem Herzen, wenn er sagt: „Ich weiß zwar über den Heydrich-Sohn nichts. Aber ich halte es nicht für gut, dass dieser Name noch einmal mit unserem Land in Verbindung gebracht wird. Lieber würde ich das Schloss eigenhändig niederreißen.“

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